Der schwierige Grad zwischen Allmachtsphantasien und Besonnenheit, wenn man sich im Glauben auserwählt fühlt. 

Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ (1. Petrus 2,9)

Eine Nummer kleiner ist es nicht gegangen? Auserwählt, königlich, heilig… Was für gestelzte und hochtrabende Worte. Wenn man sich die Geschichte des Christentums anschaut, haben solche Begriffe eher in die Irre geleitet. Das Bewusstsein von Gott auserwählt zu sein hat dazu verführt, Menschen, die anders geglaubt und gelebt haben, als Ketzer, Häretiker, Hexen und Ungläubige zu verleumden. Sie wurden verfolgt, kriminalisiert oder sogar ermordet. Die Kreuzzüge und Hexenverbrennungen sind nur zwei Beispiele dieser Allmachtsphantasien und der grausamen Exzesse des Christentums.

Deshalb ist es wichtig sich klar zu machen, wem diese Worte im 1. Petrusbrief gegolten haben.
Die Worte waren an die zahllosen Gläubigen gerichtet, die verunsichert waren, wie sie ihren Glauben leben sollten. Es waren vor allem die Leute, die nicht gebildet waren, die keine Macht hatten, die arm waren oder am Rande standen. Ihnen wurde zugerufen: Gerade ihr seid auserwählt! So wie Jesus keine Gelehrten, keine Priester oder Grundbesitzer zu seinen Jüngern auserwählt hat, sondern einfache Leute ohne Macht und Ansehen. Nur ihre Worte und Taten waren wichtig.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Besitz, Macht und Ansehen an sich sind weder moralisch verwerflich noch schädlich. Aber darum geht es nicht im Text. Es geht darum, Menschen zu ermutigen mit allen Sinnen, mit Herz und Verstand Gottes Botschaft von Nächstenliebe und Feindesliebe weiter zu geben und sich selbst daran zu halten – unabhängig von Besitz, Stand und Herkunft. Bis heute gilt daher für alle: Respektiert und achtet die Anderen und verfolgt sie nicht! Selbst ernannte Glaubenskämpfer, die andere verfolgen und ermorden, sind keine Auserwählten. Weder damals noch heute.

Wer aber die Anderen achtet, muss sich nicht fürchten. Denn Gott ist da und führt zum Licht.