Seit über drei Monaten laboriere ich mit meiner linken Achillesverse herum. Das ist manchmal nicht so einfach auszuhalten.

Erst war es nur ein Ziehen, dann eine Reizung.
Schließlich habe ich auch noch eine Dummheit gemacht.
Ich hatte mich schon vor der Reizung zu einem kleinen zehn Kilometer Nikolaus-Funlauf mit Nikolausmütze im Kölner Stadtwald angemeldet.
Die zehn Kilometer bin ich noch ganz gut gelaufen.
Die letzte Runde allerdings schon mit Schmerzen.
Tja, und dann wurde daraus eine dicke Achillesfersen-Entzündung.

Seitdem kann ich nicht mehr richtig abrollen. Es hat sich eine kleine Beule an meiner Ferse gebildet.
Und die will auch nach drei Monaten einfach nicht weg.
Folge: Ich rolle mit links nicht richtig ab. Ich humpel, und die meisten Halbschuhe drücken.
Wandern ist nach einer Weile schmerzhaft und gelaufen bin ich seit dem Nikolauslauf überhaupt nicht mehr. Und das Schlimmste: Trotz physiotherapeutischer Behandlung und Tabletten zu Beginn wird es einfach nicht besser.

Was für ein Mist!
Da hilft nur Geduld und Gelassenheit!, raten mir weise Freunde und Freundinnen.
Geh zum Orthopäden!, sagt mir ein Kollege.
Sport ist Mord!, kommentiert meine Nachbarin, die mit meinen frühen Morgenläufen noch nie etwas anfangen konnte.

Und ich? Ich fühle mich wie eine ausrangierte Waschmaschine.
Ich bin zwar schon über 50, aber bisher gehörten moderate Morgenläufe zu meinem unabdingbaren Ausgleichsprogramm zu meinem Berufsleben.
Früher bin ich sogar Marathon gelaufen und hatte bisher weder was am Knie, noch an Gelenken oder an der Hüfte. Da war ich stolz drauf.
Aber das kann ich jetzt wohl knicken.

Erst jetzt verstehe ich, wie abhängig mein ganzes System, meine Psyche und meine innere Balance von dieser Achillesferse zu sein scheint. Und mir fällt die griechische Sage des Achilleus ein.
Der Sage nach hat seine Mutter Thetis den Achilleus als kleines Kind in die Wasser des Styx, dem Fluss der Unterwelt getaucht, um ihn unverwundbar zu machen.
Die Ferse, an der sie Achilleus festhielt, blieb seine einzige verwundbare Stelle.
Prompt wurde er später genau an dieser Stelle von einem Pfeil des Apollon getroffen.
So viel zur Unverwundbarkeit.

Mich erinnert diese Sage an meine Gemütslage.
Solange ich gesund bin, fühle ich mich fit und stark.
Wenn ich krank bin oder verletzt, so wie ich zurzeit an meiner Achillesferse,
fühle ich mich verunsichert und wackelig. Nichts scheint mehr selbstverständlich.

Ich hadere mit meiner Ferse, die mein ganzes Wohlbefinden und meine sensibel austarierte Alltags-Balance durcheinander bringt.
Wie wird es mir erst ergehen, wenn ich wirklich mal ernsthaft erkranken sollte?, denke ich mir nun.
Stell dich mal nicht so an!, sagt mir eine innere Stimme.
Was sollen die sagen, die eine Krebsdiagnose bekommen oder sich mit einer anderen chronischen oder unheilbaren Krankheit herum schlagen müssen?
Halt dich mal schön zurück!

Ja klar. Ich versteh schon. Das kann ich überhaupt nicht vergleichen.
Und trotzdem tut mir meine Ferse weh und hält mich von der Bewegung ab, die ich für mein Wohlbefinden brauche. Ich bin anfällig und laufe nicht rund. So schnell kann das gehen.
Die Achillessehne als wunder Punkt.

Ich will mich ja nicht mit einem Helden der griechischen Sage vergleichen.
Aber ich kann Achilleus gut verstehen.
Von wegen unverwundbar!
Für ihn wurde die Ferse zur lebensgefährlichen Schwachstelle.
Für mich ist meine Achillessehnenverletzung eine Lektion in Demut geworden.
Gesundheit ist nicht selbstverständlich!
Eine Verletzung kann mich aus dem Alltagsleben schleudern.
So wie eine schwere Krankheit jeden und jede aus dem bisherigen Leben reißen kann.

Achilles hat mir ganz schön die Laune verdorben!