Aschermittwoch. Die fünfte Jahreszeit ist vorbei. Bis Ostern ist nun Schluss mit lustig. Ein weites Herz ist trotzdem möglich.

„Mein Herz wird weit“ (Psalm 57, 8 – 12)

Aschermittwoch.
Die fünfte Jahreszeit ist vorbei, mit oder ohne Sturm, mit oder ohne Rosenmontagsumzug. Bis Ostern ist nun Schluss mit lustig. Feiern, lachen, tanzen, sich verkleiden, Masken tragen und in die Bütt steigen haben für eine Weile Pause. Elferrat, Prinzenpaar und Stunksitzungen haben zumindest offiziell Betriebsferien.

Im Mittelalter wurde die Fastenzeit nach den tollen Tagen als Zeit des Verzichts und der Buße begangen. So streng wird das heute nicht mehr gelebt. Aber das Ritual vom Aschenkreuz auf der Stirn am Aschermittwoch ist zumindest in katholischen Kreisen noch bekannt. Es soll daran erinnern, dass das Leben endlich und vergänglich ist. Die Menschen kommen aus Asche und Staub und  kehren irgendwann wieder zu Asche und Staub zurück. Daher sollten sie beizeiten ihren Lebenswandel ändern und ihre Sünden bekennen. Heutzutage sieht das kaum noch jemand so streng.

Und dennoch: Was bleibt ist die Einladung, die sieben Wochen bis Ostern bewusst zu leben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und auf Überflüssiges zu verzichten. Die Zeit wird als Chance gesehen, Ballast abzuwerfen und sich neu zu fokussieren. Dazu ermutigt die Aktion „Sieben-Wochen -Ohne„, zu der die evangelischen Kirchen jedes Jahr in der Fastenzeit einladen. Auch das Evangelische Studienwerk beteiligt sich an der Aktion. In diesem Jahr ist das Motto „Sieben Wochen ohne Enge“. Und für diese ersten Fastenwoche heißt der Orientierungsvers: „Mein Herz wird weit!“ (Psalm  57,8).

Weite ist aber nun genau das, was den meisten nicht einfällt, wenn sie an die Fastenzeit oder an bewussten Verzicht denken. Eher das Gegenteil. Trotzdem zeigt mir meine Lebenserfahrung: Wer bewusst auf etwas verzichtet, spürt in sich hinein, zum Körper und zur Seele. Ich mache neue Erfahrungen mit mir, erlebe vielleicht die unangenehme oder schmerzhafte Seite von Verzicht und frage mich: Bin ich auf Entzug? Und wenn ja, wovon?

Wenn ich mich diesen Gedanken und Gefühlen aussetze, kann ich auch Überraschendes erleben. Jenseits des „Normalen“, des Bekannten entdecke ich andere Spuren: Ich brauche tatsächlich nicht alles, was ich immer als selbstverständlich vorausgesetzt habe. Reflexhaftes Haben-Wollen hat mich beschwert. Die besorgte Angstrhetorik, die mich seit Monaten auf allen Kanälen einlullt, ist dabei mein Mitgefühl und meine Solidarität zu untergraben. Vorurteile gegen alles, was ich nicht kenne, werden medial exponentiell verstärkt und nebeln mich ein. Sie machen mich eng und blockieren meinen Geist und meine Seele.

Wenn ich für eine begrenzte Zeit solche Reflexe unterbreche und mich selbst und mein Umfeld bewusster wahrnehme, kann ich anderes entdecken: Ich kann lieb gewordene Glaubenssätze loslassen, Schimpftiraden unterbrechen, Empörungsanfälle verabschieden und mich ganz auf das konzentrieren, was mir wichtig ist. Dafür brauche ich Mut, wachsame Sinne und ein offenes Herz.

Um mich darauf vorzubereiten, richte ich mich auf, öffne meine Arme und meinen Brustkorb und atme tief ein und aus. Ich heiße den Augenblick willkommen. Ich gehe achtsam mit dem um, was sich zeigen will. Diese offene (Körper-)Haltung bewirkt auch eine seelische Veränderung: Sie stärkt mein Selbstvertrauen und schenkt mir Gelassenheit ohne den Ballast von reflexhaften Schuldzuweisungen und verbalem Gift.

Ich wünsche Euch für die nächsten sieben Woche Neugier und Freude daran, mit weiten Herzen Eurem Alltag zu begegnen.