Mit Sekt und einer wundervollen Jubiläumstagung haben fast 100 lesbische Frauen aus ganz Deutschland vom 11. bis 13. Dezember das dreißigjährige Jubiläum der Lesbentagungen an der Ev. Akademie Bad Boll gefeiert.
Die erste Tagung
1985 hat die erste Tagung an der Ev. Akademie in Arnoldshain im Taunus nördlich von Frankfurt am Main stattgefunden. Veranstalterinnen waren die damalige Studienleiterin der Akademie Leonore Siegele-Wenschkewitz, Herta Leistner und Ute Wild. Schon zwei Monate später fand die erste Lesbentagung an der Ev. Akademie in Bad Boll statt. Dort war damals Herta Leistner Studienleiterin. Seitdem war auch Monika Barz mit im Team.
Unsicher und verschüchtert sind die ersten Frauen gekommen.
Und gleichzeitig war schnell klar: Der Bedarf war riesig! Ein sicherer Ort war nötig, an dem lesbische und bisexuelle Frauen im Umfeld Kirche ihren Glauben und ihre lesbische Orientierung ohne Angst leben konnten. Zum persönlichen Austausch, zum Diskutieren von gesellschafts- und kirchenpolitischen Themen aus lesbisch feministischer Sicht, zum Gottesdienst feiern und zum Gestalten einer inklusiven Theologie und Spiritualität. Der Start 1985 war sehr erfolgreich und fand viel positives Echo. Damals hätte noch niemand sagen können, wie erfolgreich die Tagungen einmal werden würden.
In den Anfängen der Tagungen stellten sich die meisten Frauen nur mit Vornamen vor. Viele waren besorgt, geoutet zu werden und waren auf Anonymität und Schutz bedacht. Ich war 1986 als Studentin das erste Mal dabei. Ich lebte als Theologiestudentin offen an der Hochschule in Hamburg. Für mich war das einfacher. Denn ich arbeitete damals ja auch noch nicht im kirchlichen Dienst wie andere, die Repressalien fürchteten. Über die Altersgrenzen hinweg versuchten wir auf den Lesbentagungen gemeinsam Wege zu finden, an Universitäten, im kirchlichen Dienst und an sonstigen Arbeitsplätzen offener und sichtbarer zu werden. Heute kann ich sagen: mit Erfolg!
Lesbische Netzwerke
Im Laufe der Jahre wurden in Bad Boll lesbisch-feministische Netzwerke wie Lesben und Kirche (LuK) und das Maria- und Martha-Netzwerk (MuM) für kirchliche Mitarbeiterinnen gegründet. Aber auch das Netzwerk der Wirtschaftsweiber hat sich in Bad Boll gefunden. So wuchs das kirchenpolitische und gesellschaftliche Engagement der Frauen durch Netzwerkarbeit, kirchenpolitische Aktivitäten in Kirchenvorständen, Synoden und Kirchenleitungen und durch die regelmäßige Teilnahme an den evangelischen Kirchentagen. Dort wurde ein eigenes Programm in Frauen-/Lesbenzentren angeboten. Es wurde unabhängig vom Kirchentag vorbereitet und durchgeführt. Koordiniert wurde die Arbeit ebenfalls auf den Lesbentagungen in Bad Boll. Seit dem Kirchentag 2013 in Hamburg ist diese Arbeit in eine vom Kirchentag offiziell anerkannte Projektleitung und ein finanziell gefördertes „Regenbogenzentrum“ überführt worden. Allein diese Tatsache zeigt, wie stark sich die Situation für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle in kirchlichen Zusammenhängen verändert hat. Und das ist gut so!
Aber es bleibt immer noch viel zu tun. Die komplette staatliche Gleichstellung in Form einer „Ehe-für-alle“ und kirchliche Trauungen auch für Lesben- und Schwulenpaare in der Kirche gibt es in Deutschland noch nicht. Die Lesbentagungen und kritische Netzwerkarbeit sind weiterhin wichtig!
Auf der Lesbentagung in Bad Boll hat uns die stellvertretende Präsidentin der Norwegischen Kirche Kristin Gunleiksrud Raaum vom langwierigen aber erfolgreichen Prozess in der Norwegischen Kirche erzählt. Bis wir in Deutschland so weit sind, stehen in der EKD und in einzelnen evangelischen Landeskirchen noch einige kirchenrechtliche Konflikte und theologische Debatten aus.
Aber das Beispiel aus Norwegen zeigt auch: Es nützt etwas, dranzubleiben, kleine Schritte zu gehen, immer wieder auf dem Thema zu beharren und strategisch klug mit heterosexuellen Bündnisparter_innen zusammenzuarbeiten. Mit Geduld und langem Atem wird es gelingen. Und die Lesbentagungen in Bad Boll als spiritueller und solidarischer Ermutigungsort tun ihr übriges, um weiter zu machen und gemeinsam erfolgreich zu sein.
Herta Leistner resümierte auf der Tagung am 12. Dezember 2015:
„Ich hätte mir nie träumen lassen, was wir in all den Jahren erreicht haben und wie erfolgreich die Lesbentagungen in den 30 Jahren an der Ev. Akademie in Bad Boll gewesen sind. Vor allem hätte ich nie zu träumen gewagt, dass die Reichweite der Tagungen weit über die Akademie hinaus trugen durch die Gründung der lesbischen Netzwerke und die zahlreichen kirchenpolitischen Aktionen von lesbischen Frauen und ihren Verbündeten. Viele Aktionen wurden in Bad Boll verabredetet und ihre Strategien und Ziele auf den Tagungen koordiniertet. Darauf bin ich sehr stolz. Es ist eine echte Erfolgsgeschichte!“
Kein Wunder, dass der Sekt am Samstagabend reichlich geflossen ist.
Herzlichen Glückwunsch zum 30. Jubiläum!
Sehr cool!!! Du bist echt super, daß du jetzt auf deiner eigenen Seite blogst!!! 😉