Liebe ist ein komplizierter Begriff. Was bedeutet Liebe jenseits einer Liebesbeziehung?
Und was können Erfahrung und Erkenntnis dazu beisteuern? Meine Gedanken zum Monatsspruch Juli:
„Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und Erfahrung“ (Phil 1,9)
Liebe und Liebe, denke ich mir. Um welche Liebe geht es hier?
Geht es um Erkenntnis und Erfahrung in Liebesbeziehungen, wie wir sie heute kennen?
Wohl eher nicht. Das war nicht so sehr das Thema von Paulus. Schließlich hat er selbst zölibatär gelebt und diese Lebensform auch allen anderen um ihn herum anempfohlen. Aber worum ging es dann?
Paulus ging es um Achtsamkeit und Verlässlichkeit im Umgang der ersten Christinnen und Christen untereinander. Das war einerseits nötig, um nach den Grundsätzen zu leben, die in der christlichen Botschaft gepredigt wurden: Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst. Es ging also um Glaubwürdigkeit. Handle so, dass deine Worten mit deinen Taten übereinstimmen!
Andererseits war es eine existenzielle Angelegenheit: Wenn sich Christinnen und Christen gegenseitig unterstützen und liebevoll miteinander umgehen, dann ist das der beste Schutz vor Verachtung und Verfolgung. Denn die ersten christlichen Gemeinden waren religiöse Minderheiten. Viele von ihnen wurden aufgrund ihres Glaubens aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen, verfolgt oder sogar getötet. Religionsfreiheit war damals noch nicht angesagt. Nur wenn die Gläubigen sich untereinander halfen und beschützten, konnten die Einzelnen dieser Bedrohungs- und Gefährdungssituation standhalten.
Da geht es den ersten Christinnen und Christen nicht anders als heutzutage christlichen Kopten in Ägypten oder christlichen Gemeinden in Syrien, im Irak oder anderswo. Dort also, wo sie auch im Jahr 2017 verfolgt werden oder sie Ziel von Terroratacken und Mordanschlägen werden. Solidarität, Schutz und gegenseitiger Respekt sind das Mindeste, was die christlichen Gemeinden damals und heute brauchen, um in einem feindlichen Umfeld überleben zu können. Trotz aller internen Unterschiede im Hinblick auf Frömmigkeit und Lebensstil.
Das müssen sich Christinnen und Christen auch in westlichen Breitengraden hinter die Ohren schreiben: Moralischer Zeigefinger, Besserwisserei und gegenseitige Verwünschungen schwächen die Glaubwürdigkeit christlicher Gemeinschaft. Achtsamkeit und Respekt vor unterschiedlichen Glaubens- und Lebenswegen sind die Grundlage für ein christliches Leben in „versöhnter Verschiedenheit“, wie es der Ökumenische Rat der Kirchen(ÖRK) immer wieder lehrt. Davon war auch Paulus überzeugt.
So gilt: Wo Christinnen und Christen achtsam und liebevoll miteinander umgehen, da leben sie glaubwürdig die christliche Botschaft. Da werden sie zu Botschafterinnen und Botschaftern von Gottes Liebesgebot.
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