Die biblische Figur des Judas Ischariot ist schillernd und strittig. Entweder wurde er als Verräter verschrien oder als Freiheitskämpfer verehrt. Meine Gedanken.

Ein Verräter, Verbrecher, Versager, religiöser Eiferer…
Seit 2000 Jahren wird Judas verantwortlich gemacht.
Für Verrat, Leidensweg, Verurteilung und Kreuzigung Jesu.
Er war schuld.

„Ich wasche meine Hände in Unschuld!“

Das hat nicht nur Pilatus gesagt, als er damals als römischer Statthalter darauf hinwies, dass die gesamte Bevölkerung Palästinas Jesu Kreuzigung gefordert hat.

Nicht schuldig haben sich auch die anderen Jünger gefühlt.
Obwohl Petrus Jesus dreimal verraten hatte, als er gefragt wurde, ob er ihn kannte.
Die anderen waren vermutlich auch nicht besser.
Geholfen haben sie Jesus jedenfalls nicht, als er verhaftet wurde.
Geschlafen haben sie, als sie mit Jeus im Garten Gethsemane wachen sollten.
Und als die Soldaten kamen und Jesus festnahmen, hat niemand ein Wort gesagt.

Ernüchternd ist diese Bilanz.

Wie günstig, dass Judas zur Hand war und schuldig gesprochen werden konnte.
Er allein war schuldig. Er allein war verantwortlich. Bloß nicht selbst in die Schusslinie geraten.
Dabei hatten die anderen Jünger ihre Mitverantwortung geahnt.

Jesus hat bei ihrem letzten gemeinsamen Abendessen vor seinem Tod angekündigt, dass er bald nicht mehr da wäre und dass ein Jünger ihn verraten würde. Es sollte der Jünger sein, der die Hände zur Zeit seiner Rede auf dem Tisch hatte. Alle haben sich entsetzt gefragt, wer der Verräter sein würde. Aber niemand hat nach Händen auf dem Tisch geschaut. Wahrscheinlich, weil alle die Hände auf dem Tisch hatten.

Unterm Strich: Beide Judas und Petrus aber auch die anderen Jünger und Gefährtinnen um Jesus waren mutig und entschlossen, aber zugleich auch ängstlich, verunsichert und voller Fehler. Genauso wie Menschen heute. Und sie waren und sind verantwortlich für ihr Tun.

Und Jesus? Er ist für alle Menschen gestorben. Auch für Petrus, Judas und all die anderen.
Der Unterschied zwischen Judas und Petrus: Petrus konnte Christi Vergebung annehmen, Judas nicht. Denn Judas hat in Jesus den Anführer einer Befreiungsbewegung erhofft, einen Revolutionär, der das Volk von den Römern befreit, keinen Erlöser.

Nicht nur am Karfreitag und in den Ostertagen bleibt daher bis heute die Frage:
Können Menschen annehmen, dass Jesus Christus ihnen vergeben hat oder nicht?