Wer um Vergebung bittet, kann auf Verzeihen hoffen. Selbstverständlich ist das aber nicht. Aber lest selbst.
„Ist verziehen“ (Genesis 33,1-10)
Jakob war nervös und voller Scham. Vor langer Zeit hatte er seinen Bruder Esau durch eine List um den Segen des Erstgeborenen betrogen. Danach war er ins Ausland geflohen und war reich geworden. Nun ist er mit zwei Frauen, zwei Mägden, 12 Kindern und einer großen Viehherde zurück gekommen. Er wollte seinen Bruder mit seinem Besitz beschwichtigen. Immer noch quälte ihn die Vergangenheit. Was hatte er damals bloß getan? Entschuldigt hatte er sich nie. Er war einfach abgehauen. Wie würde sein Bruder reagieren?
Jakob traute sich nur deshalb, seinem Bruder wieder in die Augen zu schauen, weil er sich vorher mit seinen eigenen Taten konfrontiert hatte. An einer Furt am Fluss Jabbok hatte er mit seinen Schuldgefühlen gerungen und mit Gott gekämpft. Der sollte ihn segnen. Es war ein zäher Kampf, der die ganze Nach andauerte. Keiner der beiden hat in diesem Kampf gesiegt, keiner verloren. Aber am Ende segnete Gott den Jakob. Denn er war standhaft geblieben und gab nicht auf. Das machte Jakob Mut. Und Gottes Segen stärkte ihn.
Und Esau? Der lief seinem Bruder entgegen, wollte seinen Besitz nicht. Er freute sich, dass sich die beiden nach all den Jahren der Trennung wieder gefunden hatten. Er feierte das Wiedersehen, statt auf Wiedergutmachung zu pochen. Esau hatte ein weites Herz. Und er rechnete es Jakob hoch an, dass er wieder zurückgekommen war. Das war ein Risiko. Es hätte auch ganz anders ausgehen können.
Die meisten Menschen haben alte Rechnungen offen mit anderen. Sie fühlen sich betrogen, wurden irgendwann übervorteilt oder verletzt. Gleichzeitig wissen die meisten, dass auch sie andere in ihrem Leben verletzt haben. Nun kommt´s drauf an. So wie bei Jakob und Esau. Wie gehen sie damit um? Was machen sie mit der eigenen Schuld und der der anderen?
Wichtig ist es, sich die eigene Verletzung zuzugestehen, sie zu spüren und zu benennen. Genauso wichtig ist es, sich die eigene Schuld einzugestehen, sie nicht zu verdrängen. Und dann?
Danach ist entscheidend, Verantwortung zu übernehmen, sich innerlich aufzumachen und sich und dem Anderen zu verzeihen. Symbolisch steht dafür Jakobs Kampf mit sich selbst und Gott am Jabbok. Als er sich seiner Verantwortung, seiner Angst und seiner Scham gestellt hat und Gott um seinen Segen bat, da veränderte sich etwas. Jakob ließ nicht locker, hörte nicht auf zu kämpfen, forderte beharrlich den Segen, um sich selbst vergeben zu können. Und er wurde von Gott erhört.
Daraufhin konnte Jakob endlich seinem Bruder Esau entgegen ziehen und ihm in die Augen sehen.
Esau vergab ihm, trug ihm den Betrug nicht nach. Er hatte das weite Herz, das erkannt hat: Hier ist etwas Besonderes geschehen. Jakob ist zurückgekommen. Voller Scham. Spät hat er sich seiner Verantwortung gestellt und um Vergebung gebeten. Aber er hat es getan. Jetzt ist er frei und offen für neue Wege. Mit seinem Bruder, mit anderen, mit Gott und mit sich selbst.
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