Der Monatsspruch von November handelt vom Bund zwischen Gott und den Menschen. Aber war der Bund hilfreich? Waren Gott und Menschen wirklich treu?
„Gott spricht: Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein.“ (Ezechiel 37,27)
Das Volk Israel am Abgrund: Der Tempel ist zerstört, der Krieg verloren. Menschen sind auf der Flucht und am Boden zerstört. Ist das die Hölle? Wie soll es weiter gehen? Wer kann helfen? Verzweiflung und Ratlosigkeit lähmten die Menschen, als Ezechiel Prophet in Israel war. In dieser Katastrophe meldete sich Gott. Der Prophet Ezechiel lieh ihm seine Stimme:
Ich werde immer bei euch sein und unter euch wohnen. Auch auf der Flucht, auch im Exil. Ich werde bei euch sein, egal wo ihr seid. Ich bin euer Gott und ihr seid mein Volk!
Vollmundiges Versprechen? Trostworte? Zynischer Kommentar zu einer verzweifelten Situation? Das Volk Israel hörte es damals als Treueschwur. Als Bestätigung des alten Bundschlusses. Sie erinnerten sich an den Bund, den Gott vor Urzeiten mit Noah geschlossen hatte. Als Bundeszeichen hatte er einen Regenbogen an den Himmel gesetzt. Ja, Gott war da, trotz allem oder gerade wegen der Katastrophe. Dieses Versprechen hat die Geflohenen getröstet und ihnen Hoffnung geboten. Gottes Treueschwur führte sie auch im Exil wieder zusammen. Zum Dank sollten sie Gott die Treue halten und ihn nicht vergessen. So wie es in den Weisungen des Alten Testaments beschrieben wurde.
Aber die gläubigen Juden und Jüdinnen wurden nicht nur zu Zeiten der alten Propheten verfolgt und vertrieben, sondern durch die Jahrhunderte hindurch Opfer von Ausgrenzung, Gewalt und Pogromen. Sie galten wahlweise als Mörder von Jesus, als Gefahr für christliche Kinder, als Verantwortliche für Naturkatastrophen, Krankheiten, Pest und Cholera, für wirtschaftlichen Niedergang und vieles mehr. Sie wurden zu Sündenböcken, zur Projektionsfläche für alles Fremde und Unkalkulierbare, zum Hassobjekt.
Es führte zu grausamen Verfolgungen, Ausgrenzungen, zu erbittertem Antisemitismus bis hin zur Shoa im Dritten Reich. Wo war Gott in jener Zeit? War er den Menschen wirklich treu geblieben, oder hatte er sein Volk vergessen? Hat Gott sich schuldig gemacht, so wie die Menschen? Darüber streiten sich bis heute die Gelehrten.
Eli Wiesel, Philosoph und Holocaust-Überlebender, hat dazu folgende Geschichte erzählt:
Im Königreich der Nacht nahm ich an einem merkwürdigen Prozess teil. Drei fromme und gelehrte Rabbiner hatten beschlossen, über Gott zu Gericht zu sitzen wegen des Blutbades unter seinen Kindern. In erregter Diskussion erhoben sie verbittert Anklage gegen Gott, der sein Volk dem Vergessen und somit den Mördern anheim gegeben habe; Gott komme seinen Bundesverpflichtungen gegenüber den Juden in sträflicher Weise nicht nach. Nach dem Prozess, an dessen Ende Gott schuldig gesprochen wurde, sagte der Rabbiner in Anbetracht der untergehenden Sonne, es sei Zeit zum Gebet. Und alle senkten ihre Köpfe und beteten.“ (Danke Eske Wollrad für den Hinweis auf die Geschichte!). (aus: Elie Wiesel, in: Olaf Schwente (Hg.): Erinnerung als Gegenwart. Elie Wiesel in Loccum, Ev. Akademie Loccum 1987, S. 117 – 119, gekürzt). (Danke Eske Wollrad für den Hinweis auf die Geschichte!).
Und so beginnt das Gebet:
„Höre Israel. Adonai ist unser Gott; Adonai ist eins!“ (Deuteronomium 6,4).
Die Zwiesprache zwischen Gott und den Menschen ist geblieben. Gott ist da. Trotz allem.
Letzte Kommentare