Der Reformationstag und Halloween werden am gleichen Tag gefeiert. Viele ärgern sich darüber. Dabei ist zwischen Refor-ween und Hallo-mation viel Platz zu feiern.
Dass die Kölner und Kölnerinnen Halloween feiern, ist keine Überraschung. Schließlich wird jeder Anlass genutzt, um dem geliebten Karneval als Hobby nachzugehen. Aber dass ich das im Jahr 2015 in einer Kölner Sauna erlebt habe, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber der Reihe danach…
Ich hatte den Reformationstag am 31.10.2015 sehr bewusst mit Martin Luther begonnen. „Ein feste Burg ist unser Gott“ habe ich vor mich hin gesungen. Und beim Frühstück habe ich mich gefragt, welche 95 Thesen wohl im Jahr 2015 an die Schlosskirchentür von Wittenberg geschlagen werden müssten. Meine spontane Antwort:
- Hass und Vorurteile vergiften jede demokratische Gesellschaft.
- Hass und Vorurteile zerstören Respekt und die einfachsten Regeln von Mitmenschlichkeit, von Nächstenliebe will ich gar nicht reden.
- Angst ist ein schlechter Berater.
- Angst ist auch kein Argument, Anderslebende und Andersgläubige zu verteufeln.
- Jede Form von verbaler und körperlicher Gewalt widerspricht nicht nur dem deutschen Grundgesetz, sondern auch der christlichen Ethik von Nächstenliebe und Solidarität mit den Schwachen.
- Widerspruch gegen Hasspredigten und Vorurteile ist Christenpflicht.
- Unterstützung von Ausgegrenzten und Geflüchteten auch.
Das war dann aber erst einmal genug protestantische Vergewisserung am Reformationstag. Schließlich hatte ich die ganze Woche gearbeitet und heute frei. Also entschied ich mich mit meiner Freundin in die Sauna zu gehen. Abschalten, entspannen, Körper, Geist und Seele etwas Gutes tun. Das ist doch auch gut protestantisch: statt Angst vor Gottes Strafe das Leben genießen und sich selbst etwas Gutes tun. Ich war mir sicher, Martin Luther hätte es gemocht.
Also in die Sauna. Am Vormittag sind wir geschwommen. Dann ab in die Sauna. Wir haben verschiedene Aufgüsse mit Minze, Lavendel, Früchte und Menthol genossen, dazwischen gelesen, Kaffee getrunken und geschlafen. Hat richtig gut getan. So sollte ein erholsamer Tag aussehen.
Nachmittags nahm die Betriebsamkeit in der Sauna allerdings sprunghaft zu. Überall waren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die an den verrücktesten Stellen Gespenster, Riesenspinnen, Fledermäuse und andere gruselige Gesellen mit und ohne Kopf aufhängten. So weit so gut. Abends sollte es noch eine Halloween-Party in der Sauna geben, erfuhren wir vom freundlichen Personal. Für nur 12 Euro extra. Mit Spezial-Halloween-Aufgüssen, Geistermusik, Buffet und anderen Halloween-Überraschungen. Na gut, wir hatten keine 12 Euro extra bezahlt und stellten uns darauf ein, dass wir bis 18 Uhr die Sauna verlassen mussten, obwohl man normalerweise bis 22 Uhr in der Sauna bleiben kann. Aber wir wollten ja keine Spielverderberinnen sein.
Selbstverständlich freue ich mich auch über Halloween. Schließlich habe ich ein Jahr in New York gelebt und in Greenwich Village einen Halloweenumzug mit anschließender Feier und allem drum und dran erlebt. Alle waren verkleidet, es gab gruselige Gespenster, Riesenspinnen, quicklebendige Leichen, jede Menge offene und geschlossene Särge, die durch die Gegend getragen wurden, spukige Musik, Fackeln und Gespenster, die einen ansprangen, wenn man mal eine Sekunde nicht aufgepasst hat. Die Stimmung war super, die Kinder hatten ihren Spaß und futterten ohne Pause die Süßigkeiten, die sie tagsüber auf ihren „Trick-or-Treat-Spaziergängen“ in der ganzen Stadt erbeutet hatten.
Aber in der Sauna wollte ich nicht für eine Halloween-Party bleiben. Das ging mir dann doch zu weit. Aber alle anderen sollten das ruhig machen. Ich besorgte mir stattdessen für 17 Uhr einen Massagetermin bei der Thai-Masseurin in der Sauna. Was mir nicht klar war: Der Massagetrakt liegt gleich hinter den Saunaräumen und beinhaltet einen Flur, ein Büro und ein Lager. Meine Massage begann pünktlich, die Masseurin war sehr gut. Aber nun ging´s richtig los. Während meine Beinmuskeln gelockert wurden, klapperte und krachte es draußen auf dem Flur, als wenn ein Großumzug stattfinden würde. Kartons wurden hin- und hergeschoben, laute Gruselmusik wurde eingeschaltet. Mindestens vier Leute unterhielten sich lautstark auf den Flur.
„Hallo, sprich mit mir! Ich kenne keine Gruselfilme. Was soll ich denn anziehen?“
„Zieh diese schwarze Kutte an. Dann werden wir deine Haare schwarz sprühen.“
„Muss das sein?“
„Mit blonden Haaren wirkt das Kostüm nicht, menno!“
Meine Oberschenkelmuskeln wurden durchgewalkt, während draußen weiter über Verkleidungen und Haarstyling diskutiert wurde. Überall rumpelte und krachte es.
„Ich zieh das Spinnenkostüm an.“
„Iiiie, das sieht ja furchtbar aus!“
„Warte erstmal, bis es dunkel ist und die Musik dazu kommt! Dann wird´s erst richtig gruselig.“
„Hier ist das Skelett. Das werde ich mit rüber nehmen. Das Beil klebt am Sarg.
Da müsst ihr ein bisschen drauf aufpassen.“
Ich versuchte mich weiter zu entspannen, während mittlerweile meine Arme massiert wurden.
Die Unterhaltung draußen im Flur bei Gruselmusik wurde immer lauter. Geht so Entspannung?
Komischerweise war ich nicht genervt, sondern eher neugierig. Wie die da draußen im Flur wohl aussehen?
Was die heute Abend beim Aufguss wohl noch alles anstellen?
Dann erinnerte ich mich wieder an Halloween in New York. Es war schon dunkel, als wir damals in Greenwich Village ankamen und auf die Halloween-Parade gewartet haben. Überall waren verkleidete Menschen. Frauen, Männer und vor allen Kinder. Die Stimmung war gut und der Umzug laut, mit vielen Gespenstern, Fackeln und Särgen. Ich mochte es. Für mich stand es in keinem Widerspruch zum Reformationstag. Im Gegenteil. Halloween ist ein alter heidnischer Brauch, um Ängste und Geister sichtbar zu machen und sie dann mit lauter Musik, Tänzen und Umzügen zu vertreiben.
Martin Luther hat sein Glaube geholfen, um seine Ängste in den Griff zu bekommen. Allerdings war sein Glaube zunächst auch dafür verantwortlich, dass er alle möglichen Ängste vor Teufel, Fegefeuer und Sünden hatte. Jahrelang quälte er sich damit herum. Und auch sein Theologiestudium konnte ihm zunächst nicht helfen. Erst seine Entdeckung vom gnädigen Gott und von der Rettung der Menschen allein aus Glauben haben ihn zu einer neuen Theologie geführt. Zu dieser Theologie gehörte auch ein Leben mit Genuss, Freude und Feiern. So wie bei Halloween.
Also, lasst uns feiern. Auch in diesem Jahr. Halloween und das Reformationsjubiläum 2017!
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