Das Kains-Mal ist ein geheimnisvolles Schutzzeichen. Gott versah Kain damit. Wie es dazu kam, erfahrt ihr hier. Wer dazu die Andacht in der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) in Mainz schauen möchte, hier entlang.

I
In der Genesis, dem ersten Buch der Bibel, wird die Geschichte von Kain und Abel erzählt (Gen. 4).

Kain und Abel waren die ältesten Söhne Adam und Evas. Der Ältere war Ackerbauer, der Jüngere war Hirte. Beide opferten sie etwas für Gott. Kain opferte Ähren vom Feld, Abel opferte ein Schaf. Gott zog Abels Brandopfer vor, während er Kains Opfer nicht annahm. Kain wurde daraufhin wütend und fühlte sich von Gott zurückgesetzt. Ihn trieben Rachegedanken um. Schließlich erschlug er seinen Bruder Abel. Damit wurde er zum ersten Mörder der Bibel.

Gott war entsetzt über Kains Tat und verfluchte ihn. Er verbannte ihn von seinem Ackerboden und prophezeite ihm, dass er von seinem Ackerboden nichts mehr würde ernten können. Kain wusste, dass das sein Todesurteil war. Er wusste aber auch, dass er große Schuld auf sich geladen hatte; zu große Schuld, die er nicht würde tragen können. Er war verzweifelt und fühlte sich der Welt schutzlos ausgeliefert. Er schrie seine Schuld und Scham heraus vor Gott. Da ließ Gott Gnade walten. Er erklärte, dass Kain weder schutz- noch rechtlos war. Als Zeichen für Kains Schutz versah er ihn sogar mit einem Schutzzeichen, dem so genannten Kains-Mal. Es sollte ihn vor Rächern und Feinden schützen.

II
In der hebräischen Sprache der Thora steht das Wort ‚ot (אות, „Zeichen“) zumeist für ein göttliches Zeichen. Im 2. Buch Mose (Ex 4,1–9) unterstützte ein solches Zeichen Gottes die Autorität Moses vor dem Pharao. Das Gottes-Zeichen des Kain war demnach kein Schandfleck, sondern ein Schutzzeichen Gottes vor der Blutrache. Zugleich wurde der „erste Mörder“ der Bibel durch das Kain-Zeichen selbst zur personifizierten Warnung für andere Menschen vor einem Mord. Wie dieses Kainsmal genau aussah, wird in der Bibel übrigens nicht beschrieben.
In Kunst und Literatur ist die Geschichte von Kain oft aufgenommen worden. Mal war er ein Kämpfer gegen Lüge und Unterdrückung, mal ein Sucher nach Wahrheit, oder er war ein zerrissener Nihilist. Thomas Mann und Hermann Hesse im Buch Demian nutzten das Kainszeichen, um die Träger abzusondern oder sogar zu überhöhen.

III
Die biblische Geschichte bleibt düster und seltsam.
Kain durfte weiterleben. Er blieb sein Leben lang geschützt, gründete eine Stadt und hatte viele Nachkommen. Er wurde zum Ahnvater der Städtebauer. Gottes Urteil für ihn fiel milde aus. Gott verlangte Rechenschaft, Reue und Buße. Da Kain das tat, war Gott gnädig mit ihm.

Das Kains-Mal ist insofern ein Zeichen für Verhältnismäßigkeit. Es bleibt Erinnerung an ein Verbrechen und gleichzeitig ein Schutzzeichen für alle. Es erinnert alle: Gewalt kann nicht mit Gewalt beendet werden! Dafür braucht es Strafverfahren, klare Gesetze und Gerechtigkeit für die Opfer. Es braucht nicht Rache, sondern einen kühlen Kopf und gewaltfreie Lösungen. Gott hat es den Menschen gezeigt. Wir sollten uns daran erinnern und uns an Gewaltfreiheit halten. Denn wir alle könnten in unserem Leben einmal auf ein Kains-Zeichen als Schutzzeichen angewiesen sein. Das Kains-Mal ist ein Zeichen der Zuversicht – trotz allem Leid, trotz Gewalt, Krankheit und Tod.