10.03.2019

Sieben Wochen ohne Lügen

Heute ist der erste Sonntag in der Fastenzeit. Das Motto der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist „Sieben Wochen ohne Lügen“. 

Dazu gab es am heutigen Sonntag einen Eröffnungsgottesdienst mit einer Eröffnungspredigt der bayrischen  Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler.  Die Predigt orientiert sich an der biblischen Geschichte über König David, einen der zentralen Personen des Alten Testaments (2. Samuel 12, 1-25).

David war ein Hirtensohn und kam aus Bethlehem. Nach einer Legende schlug er allein durch eine kluge List den stärksten und gefürchteten  Philistersoldaten Goliat. Er traf ihn mit einer Steinschleuder und setzte ihn dadurch außer Gefecht. David galt hinfort als mutig, stark und klug. Daher tat er Dinge, die strategisch und statistisch gesehen nicht ratsam waren. Aber er tat sie trotzdem und hatte Erfolg damit. So kam er an den israelischen Königshof zu König Saul. Da David auch Harfe spielen konnte, wie es eine andere Legende berichtete, spielte er für König Saul und wurde auch dadurch zu einem beliebten Mitglied am Hof.

Schnell stieg David in der Hierarchie am Königshof auf. Er wurde zum Soldaten ausgebildet, gewann viele Schlachten und wurde immer mächtiger. Nach dem Tod von König Saul und seinem Sohn Jonathan in einer Schlacht gegen die Philister wurde David schließlich zum König gesalbt.

David war auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt. Er war berühmt und beliebt. Aber seine Macht machte ihn übermütig und vergiftete seinen Charakter. Als er sich in Batseba, die Ehefrau des Soldaten Urija, verliebte, nutzte er seine Krone, um den Soldaten Urija in vorderster Linie an die Front zu schicken. Dieser wurde im Kampf getötet, wie es König David geplant hatte. Ungeniert konnte er sich nun dessen Frau nehmen und sie zu seiner Frau machen. Gleichzeitig war er schon mit Michal und sechs anderen Frauen verheiratet. Batseba wurde seine achte Frau.

Niemand traute sich, etwas gegen David zu sagen oder sein unethisches Verhalten zu kritisieren. Nur der Prophet Nathan traute sich das zu. Es war seine Rolle als Prophet, die Wahrheit zu sagen und dem König auch kritische Erkenntnisse mitzuteilen. Andere Hofpropheten hielten sich aus Angst vor Sanktionen nicht an diese Aufgabe. Nathan schon. Er hielt König David eine Strafpredigt, indem er ihm einen Spiegel vors Gesicht hielt. Anhand einer Geschichte über einen reichen Mann, der das einzige Schaf eines armen Mannes schlachten ließ, als dieser zu Besuch kam, statt eines seiner vielen Schafe zu schlachten, sollte David über den reichen Mann Gericht halten. David verurteilte das Verhalten des reichen Mannes. Er sollte viermal so hart für seine Tat verurteilt werden. Nathan zeigte David, dass es in der Geschichte um Davids Verhalten ging. Er hatte unmoralische gehandelt und seine Macht missbraucht, indem er Uria in den Tot schickte, um sich Batseba nehmen zu können.

Bemerkenswert ist an dieser Geschichte, dass David sein kriminelles Verhalten zugab und um Vergebung bat. Verantwortung musste er für sein Verhalten dennoch übernehmen. Er tat Buße und fastete lange. Das erste gemeinsame Kind von Batseba und David überlebte trotzdem nicht.  Erst der zweite Sohn, Salomon überlebte und wurde zu Davids Thronnachfolger.

Buße und Bitte um Vergebung bringen Wahrheiten ans Tageslicht. Lügen werden beendet. Es gibt Platz für Vergebung und verändertes Verhalten. Fazit: Lügen zugeben, bereuen und aufhören zu lügen kann befreiend sein und den Beginn eines veränderten Lebens mit mehr Lebensqualität und Ehrlichkeit ermöglichen.

Was aber auch wichtig ist: Lügen werden nicht nur begangen, um Machtmissbrauch und Verbrechen zu kaschieren oder sich selbst im besseren Licht dastehen zu lassen. Lügen sind manchmal auch überlebensnotwendig. Zum Beispiel, wenn Lesben, Schwule, bi*, trans*, queere Menschen (LSBTQ) und andere Minderheiten sich verstecken müssen, weil sie kriminalisiert oder verfolgt werden. Wenn sie um ihr Leben fürchten müssen wie in muslimischen Ländern wie Jemen, Saudi Arabien, Pakistan oder  Iran, wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Oder wie in vielen afrikanischen oder osteuropäischen Ländern, wo Homosexualität kriminalisiert wird und offen lebende LSBTQ Gewalt, Ausgrenzung und Verfolgung ausgesetzt sind.

Da wird Doppelleben überlebensnotwendig, wie es Rainer Hörmann in seinem Beitrag auf Kreuz & Queer kommentiert hat. Denn ein Comingout als schwul oder lesbisch kann zum Spießrutenlauf oder zum lebensgefährlichen Unterfangen werden. Lügen sind also nicht per se schlecht oder unmoralisch, sondern müssen je nach Kontext, Zeit und Perspektive betrachtet werden. Verbindliche Verhaltensweisen und Rezepte ohne kontextuelle Einordnung sind dagegen wertlos oder sogar gefährlich.

Was bleibt? Der Prophet Nathan war ein kluger Mann. Er hielt König David einen Spiegel vor und ließ ihn selbst urteilen. Mit der Geschichte vom reichen und vom armen Mann zeigte er ihm sein unmoralisches Verhalten auf. König David konnte die Geschichte in den passenden Kontext einordnen. Er verstand die Botschaft, bereute sein Tun und veränderte sein Verhalten. Das war die Voraussetzung dafür, dass seine Bitte um Vergebung schließlich gehört wurde. Aber nicht, ohne dass König David vorher Verantwortung für sein Verhalten übernehmen musste und dafür bestraft wurde.

Der Prophet Nathan handelte kontext- und situationsbezogen. Dadurch kam seine Botschaft an. Kontext-,  situationsbezogen und konkret sollte daher auch das Motto „Sieben Wochen ohne Lügen“   ausgelegt und mit Leben gefüllt werden.